Allegro Spiritoso

Allegro Spiritoso, Rufname Bink, ist von unbekannter Herkunft und Abstammung. Als er 3 Jahre alt war, hat in die Vorbesitzerin von einem Händler gekauft. Bei ihr war er in sehr guten Händen und hatte sich an sie gebunden. Aber leider stellte sich heraus, dass er eine zu große Herausforderung für sie war. Deshalb hat sie sich im Dezember 2018 dazu entschieden, ihn mir an zu vertrauen. Allegro ist ein kräftiges und barock gebautes Pferd: muskulöse Hinterhand, mit einer leicht abfallenden Kruppe mit einer leichten Rille bis zum Schweifansatz, mit einer breiten Brust, einem gut entwickelten Hals, einem guten Fundament und kräftigen, wohlgeformten Hufen, einem edlen Kopf. Er hat „menschliche Augen“, ist flexibel in Körper und Gliedmaßen, seine Farbe ist kastanienfarbig „few spot“. Phänotypisch ist er eindeutig ein Knabstrupper.


Weil er dafür bekannt war schnell frisch, aufgekratzt, manchmal widerspenstig und auch unbedacht oder deutlicher gesagt respektlos zu sein, wurde er als Problempferd gesehen. Unter dem Sattel konnte er bocken und steigen. Generell zeigte er oft Widerstand und  schwieriges Verhalten. Beispielsweise hatte er es zur Gewohnheit gemacht, sich loszureißen und wegzulaufen um sich dann – als wäre nichts gewesen – entspannt einsammeln zu lassen. Auch im Stall oder auf der Wiese konnte er seiner Besitzerin gegenüber durchsetzungsfähig sein, forderte ihre Aufmerksamkeit, versperrte ihr den Weg und zeigte sich anderseits aber als wahres Kuscheltier. Auch auf dem Putzplatz sorgte er durch allerlei Unfug für Aufsehen und machte sich einen Namen als Clown. Aber er erschreckte sie auch oft mit seiner Impuliviät,  seinen unerwarteten Handlungen und Reaktionen. Im Laufe seiner Karriere musste die Besitzerin auf der Suche nach dem richtigen Ansatz für sein schwieriges Verhalten die Ansichten verschiedener Reitlehrer unterschiedlicher Reitstile erleben. Beispielsweise wurde sein Verhalten als Dominanz bezeichnet,  dann interpretiert als Faulheit, ein anderer diagnostizierte mangelnder Intelligenz und ein weiterer sogar er sei „nicht richtig im Kopf“. 

Seit Sommer 2018 wurde er nach klassischen Prinzipien von Grund auf neu ausgebildet - wie ein grünes Pferd. Bei der Arbeit an der Hand zeigte er schnell sein Talent und seine Arbeitsmoral, war er entspannt und zufrieden.

Allegro Spiritoso ist qua Interieur, wie es sich für einen Knabstrupper gehört, ein temperamentvolles, aber deutlich menschenbezogenes und freundliches Pferd. In der Herde hat er sich schnell mit meinen Pferden und den anderen Pferden, mit denen ich hier arbeite, angefreundet. Und er wurde Teil dieser Untergruppe innerhalb der Herde. Er ist offen, neugierig und sehr sensibel. Deshalb scheint er manchmal heftig zu reagieren, in Wahrheit aber braucht es bei ihm einfach nur eine ganz feine leichte Hilfengebung. Ist die Einwirkung für ihn zu deutlich, fällt auch seine Reaktion entsprechend aus.  Weil er nicht nur sehr schlau, lernbegierig und ehrgeizig ist und über ein hohes Energieniveau verfügt, sondern auch immer wachsam und arbeitswillig ist, langweilt er sich schnell und fordert dann: „Komm, lass uns was machen! Sonst denk ich mir selbst was aus!“ Wenn ich ihn von der Weide holen möchte, muss ich ihn normalerweise nicht einmal rufen. Sobald er mich sieht, kommt er im Trab, um meinen anderen Pferden einen Schritt voraus zu sein,  wiehernd auf mich zu.  Er testet immer wieder mal ob er die Führung übernehmen kann, das darf er auch denn schließlich ist er ja ein Pferd. Er lässt sich aber schnell davon überzeugen, dass die Führung bei mir liegt. Allerdings ist er sicherlich kein Pferd, das man zwingen kann. Das führt nur zu immer mehr Widerstand. Ein respektvoller Umgang ist daher keine Einbahnstraße und das sollte im Umgang mit Pferden sowieso niemals  sein.


Kurz gesagt ein besonderes und feines Pferd, aber zugleich nicht unkompliziert. In deutlichen, respektvollen und ruhigen Händen läßt er sich jedoch formen wie Wachs.     

September 2020


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